
Mare Verlag
Fester Einband
288 Seiten
Erscheinungsdatum:
09.02.2016
Preis: 20,00 €
ISBN: 9783866482456
Klappentext
Es ist eine einzige Einstellung in einem Film, die ihn aufrüttelt: eine kurze Szene am Mont-Saint-Michel, der berühmten Felseninsel im normannischen Wattenmeer. Der Mann, den dieses Bild an eine längst vergessen geglaubte Postkarte erinnert, ist ein Deutscher, der in London lebt, er ist soeben fünfzig geworden und voller Zweifel an seinem Lebensentwurf: Zwar mangelt es ihm nicht an Erfolg, doch er vermisst das Gefühl, der Nachwelt etwas Sichtbares zu hinterlassen – und Nachkommen, die seine Arbeit später schätzen und sich an ihn erinnern könnten. So scheint es kein Zufall, dass gerade jetzt die Erinnerungen an seinen Großvater Jakob Fiedler – den damaligen Absender der Karte vom Mont-Saint-Michel – wach werden, der als einfacher Pflasterer ein die Jahrzehnte überdauerndes Werk geschaffen und seine Familie ernährt hatte. Die Flut der Fragen, die sich dem Enkel mit einem Mal aufdrängen, entfaltet eine ungeahnte Wucht … Bis ihm die Begegnung mit einer jungen Frau aus Litauen die Augen öffnet für eine ganz neue Möglichkeit des Glücks im Hier und Jetzt.
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„Es war, wie wenn nach einem bewegenden Film das Licht angeht und man sich in einem Kinosaal wiederfindet. Es war eine Desillusionierung. Ich deutete sie als Mahnung, mich beim Blick auf die Vergangenheit nicht der Nostalgie hinzugeben, sondern das Erinnern unter Berücksichtigung der größeren Zusammenhänge strategisch anzugehen.“ (Seite 30)
Der Protagonist in dieser Geschichte hat keinen Namen. Er ist gerade fünfzig geworden und zieht eine Bilanz seines Lebens. Dabei stellt er fest, dass er zwar sehr erfolgreich in seinem Beruf ist, doch dass er niemanden hat, mit dem er dies teilen kann. Keine Frau und keine Kinder. Niemand ist da, dem er etwas hinterlassen kann. Doch darauf folgt die weitere Frage … was wenn er jemanden hätte dem er etwas hinterlassen könnte … was wäre es dann. Aus seiner Sicht hat er nicht geschaffen in seinem Leben, was erwähnen wert wäre.
Anders sieht es mit seinem Großvater aus. Durch eine kurze Sequenz in einem Kinofilm erinnert er sich an seinen Gr0ßvater und dem was er großartiges geleistet hat. Kurzerhand beschließt er sich auf die Spuren seines Großvater zu begeben, in der Hoffnung darüber mehr über sich zu erfahren. Und während dieser „Reise“ begegnet er Neringa, die eine andere Sich auf die Dinge des Lebens hat als er.
„Sie kennen keine Schwere, wenn sie tanzen, antwortet sie. Wenn ein Mensch tanzt, wirkt die Trägheit der Materie als Gegenkraft. Die Figuren wissen davon nichts. Die Kraft, die sie emporhebt, ist größer als die Kraft, dies sie an die Erde fesselt. Sie streifen die Erde nur. Und sie müssen sich auch nicht auf festen Boden von den Anstrengungen des Tanzen erholen.
Sie brauchen kein solides Pflaster unter den Füßen, sagte ich.“ (Seite 170)
Ehrlich gesagt reißt mich dieses Buch hin und her. Ich bin fasziniert von der Sprache und der Sprachgewalt dieses Buches. Stefan Moster erzählt seine Geschichte um den namenlosen Protagonisten klar und strukturiert, dennoch schwingt eine gewisse Melancholie zwischen den Zeilen, eine Sehnsucht nach Antworten. Antworten auf die Fragen des Lebens, die sich (auch ich) viele Menschen in der Mitte des Lebens stellen. Wer bin ich, was habe ich erreicht im Leben, wie wird mein Leben weiter gehen. Und jeder geht damit anders um. Die einen suchen immer weiter ohne jemals eine Antwort zu finden, die anderen finden eine Antwort und wiederum andere brauchen irgendwann keine Antwort, weil sie plötzlich wissen und fühlen was wichtig ist im Leben.
Auf der Suche nach Antworten wird aber auch klar, wie sehr sich Realität und Erinnerungen miteinander vermischen, und dass diese nicht immer übereinstimmen. Das es vorkommen kann, dass man Menschen oder Begebenheiten auf einen „Sockel“ stellt, aber die Realität vollkommen anders war/ ist.
Ich habe mich lange gefragt, warum Mosters Protagonist keinen Namen hat. Vielleicht hat er deshalb keinen Namen, weil es einfach symbolisieren soll, dass er noch nicht seine wahre Identität im Leben gefunden hat, dass er noch auf der Suche ist. Im Pendant dazu schafft Moster eine Frau die Neringa heißt. Neringa ist eine Stadt in der Gemeinde Neringa, in Litauen. Symbolisiert also Heimat/ zu Hause sein. Und in der Tat scheint es so, als würde der namenlose Protagonist am Ende eine Art Heimat bei Neringa finden.
„Ihre Art zu lieben kannte keine Eile, keine Ungeduld, keinen Vorgriff auf die Zukunft und keine Bedingungen. Sie brauchte weder Losungsworte noch Bekenntnisse. Sie liebte, was vorhanden war, den gemeinsam erlebten Moment, den man nicht in Worte fassen musste.“ (Seite 197)
Ich habe dieses Buch gerne gelesen und es hat mir eines wieder einmal klar gemacht … es bringt nichts Vergangenem nachzutrauern … es bringt vielleicht bedingt etwas sich zu grübeln wie das Leben weiter gehen kann und was ich der Nachwelt hinterlasse … aber da erinnere ich mich an ein Zitat, das ich erst vor ein paar Tagen gelesen habe …
„Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, muss aber vorwärts gelebt werden“ (Sören Kierkegaard)
4 von 5 Sternen
Man sollte nicht immer alles im Leben hinterfragen. So erhebt man nur unnötig seinen Anspruch.
Dein letztes Zitat ist für mich eine Art Leitfaden geworden.
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Das Buch habe ich auch schon gelesen, komme mit der Rezension aber nicht klar. Die Frage, warum der Mann namenlos bleibt habe ich für mich auch noch nicht beantworten können. Bücher, an denen ich mich lange reiben muss, klingen oft nachhaltig nach. Ich muss noch ein wenig reiben,bis ich meine Eindrücke in Worte fassen kann.
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Ich hab auch über eine Woche gebraucht, um für mich Antworten zu finden. Nachdem ich zu ende gelesen hatte, habe ich spontan nur 3 Sterne vergeben. Doch je mehr ich darüber nachgedacht habe und gegrübelt habe, desto mehr konnte ich für mich herausziehen und habe dann noch einmal nach oben aufgewertet. Ich denke, dass man dieses Buch wirklich sacken lassen muss. Vielleicht auch nach ein paar Wochen noch einmal lesen. Für mich ist die Namenlosigkeit letztendlich ein Ausdruck dafür, dass er noch nicht seine wahre Identität gefunden hat.
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