
Knaur Taschenbuch
Flexibler Einband
368 Seiten
Erscheinungsdatum:
12.01.2018
Preis: 9,99 €
ISBN: 9783426519691
Rückentext
Leon lebt sein Leben nicht – er hetzt hindurch. Für ihn zählt nur eines: Erfolg und Geld – und das innerhalb kürzester Zeit. Diese Geschwindigkeit wird ihm zum Verhängnis, als er sich eines Tages auf der Fahrt durchs Chiemgau mit dem Auto überschlägt.
Johanna, die gerade auf ihrem Achtsamkeitsspaziergang ist, entdeckt den in seinem Sportwagen eingeklemmten Leon, leistet Erste Hilfe und verständigt den Notarztwagen. Johanna ist klar: Das ist er, der Eine, den sie nie wieder loslassen darf. Sie bringt ihn ins Haus ihrer geliebten Großmutter Marceline, einer ganz ungewöhnlichen Frau mit nur einem Wunsch: so viele besondere Momente wie möglich zu sammeln, bevor sie ganz im Vergessen versinken.
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„Kein Krieg ist mein Krieg oder dein Krieg oder der Krieg eines vernünftig denkenden Menschen, antwortet Marceline. Er ist immer nur der Krieg von verwirrtem Denken.“ (Seite 67)
Dieses Buch besteht eigentlich aus mehreren Geschichten/ Schicksalen, die miteinander verknüpft wurden.
Da ist Leon, ein junger Mann, der auf der Überholspur des Lebens unterwegs ist. Schöne Frauen und Autos, Karriere und Geld, Partys und Drogen … das ist seine Welt. Eines Tages verunfallt er. Dabei trifft er auf Johanna, die so ganz anders ist, als die Frauen, die er bisher kennen gelernt hat. Johanna schafft es, das Leon sich öffnet und sich dem Tod seiner Eltern insbesondere seines Vaters stellt.
Kio, fast noch ein Kind und aus seiner Heimat geflohen, lebt bei Johanna und Marceline. Er liebt die beiden, doch seine Vergangenheit holt ihn immer wieder und wieder ein. Auch die Integration im Ort wird ihm schwer gemacht.
Marceline, ist die Großmutter von Johanna. Sie führt eine Whiskybrennerei und versucht mit allen Mitteln zu vertuschen, dass sie dement ist.
Und dann ist da noch Johanna. Wächst ohne Mutter bei ihrer Großmutter auf. Diese hat das Kind früh bei der Mutter geparkt. Johanna weiß nicht wo ihr Platz im Leben ist. Sie sorgt sich rührend um ihre Großmutter und um Kio.
„Dement zu sein, hatte auch seine Vorteile. Man konnte machen, was man wollte, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Für den Bruchteil einer Sekunde waren Marceline und Demenz einander sympathisch. Dann war die Traurigkeit wieder da, und die Melodie des Abschieds (…)“ (Seite 317/ 318)
Wie man an den kurzen Zusammenfassungen sehen kann, ist dies ein vielschichtiger Roman. Es geht unter anderem um Trauerbewältigung, den Verlust der Eltern, Demenz und den damit verbundenen Ängsten und Auswirkungen, sowie dem Thema Flucht und Bewältigung von Folter und Gewalt, sowie die Integration als Flüchtling in die Gemeinschaft.
Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen, doch an manchen Stellen kamen dann die einzelnen Themen doch zu kurz. Ich hätte gern mehr über Kios Leben erfahren, oder Marceline und ihr Leben mit der Demenz. Aber natürlich hat man als Autorin nur begrenzte Möglichkeiten.
Von Nicole Walter habe ich bereits andere Bücher gelesen und wusste daher, dass diese mich immer nachhaltig beschäftigen.
Marceline sammelt Augenblicke, um diese nicht zu vergessen. Ich mache ähnliches. Ich sammle auch Erinnerungen … in Form von Bildern, Sprüchen, Eintrittskarten … um mich später irgendwann einmal daran zu erinnern. Ich habe sogenannte Erinnerungskisten auf dem Speicher stehen. Und gerade gestern habe ich noch einen Bericht im Radio gehört, dass man glückliche Momente sammeln soll, um sich dann in unglücklichen Momenten daran erinnern zu können. Das hat dann positive Auswirkungen.
„Wenn eine Mutter nie eine Mutter war, kann sie nicht erwarten, dass sich später eine Tochter wie eine Tochter benimmt.“ (Seite 332)
Etwas möchte ich dennoch „kritisieren“ … mich ärgert es immer, wenn Verlage bei der Auswahl der Cover und Titel so danebenhauen wie bei diesem Buch. Auch der Klappentext ist eigentlich unmöglich. Warum? Dieses Buch hat so viel mehr zu bieten, als einen lustig leichten „Achtsamkeitsroman“. Hätte ich nicht bereits Bücher von Nicole Walter gelesen, hätte ich dieses Buch nicht einmal in Betracht gezogen.
Also … lasst Euch nicht abschrecken. Lest es!!!
„Jeder Tag lässt genau das in einem zurück, was man aus ihm gemacht hat …“ (Seite 63)