Die Exilantin

Blumenbar
Fester Einband
224 Seiten
Erscheinungsdatum:
18.05.2018
ISBN: 9783351050504
Preis: 18,00 Euro

Klappentext
In diesem autobiografischen Debüt erzählt Maryam Madjidi von ihrer Kindheit im Iran, vom Kampf der Eltern für den Kommunismus und davon, wie sie ihr Spielzeug an die Kinder im Viertel verschenken muss. Heimlich vergrub sie die Lieblingssachen im Garten und steckte sie später in den Koffer für Frankreich. Hier sollte das neue Leben anfangen – ohne Kampf, ohne Gefängnis. Aber die kleine Maryam fühlt sich fremd, weil alles fehlt: die eigene Sprache, echte Freunde, die geliebte Großmutter. In Paris sind die Hände des Vaters plötzlich nutzlos, die Augen der Mutter müde. Als junge Frau fährt Maryam nach Teheran zurück, verliebt sich und bricht mit allem.

∗∗∗∗∗

Da dies nur ein kleines Büchlein ist, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter auf den Inhalt eingehen, da sonst zu viel verraten wird.

„Wir sind farbige Sternschnuppen auf einer grauen Leinwand.“ (Seite 207)

Was für ein ungewöhnliches Debüt. Maryam Madjidi beschreibt auf sehr poetische und im Aufbau des Buches sehr ungewöhnliche Art ihr Geschichte. Eine Geschichte von Flucht mit den Eltern ins Exil nach Frankreich. Von ihrer schwierigen Zeit der Eingewöhnung und der Verweigerung die neue Sprache zu lernen. Dann der Umschwung. Sie will mit ihren Wurzeln brechen. Will nicht mehr das persische, nur noch das französische. Doch in beiden ist sie nicht wirklich zu Hause.

Ich konnte Madjidis innere Zerrissenheit spüren, die Suche nach Heimat und Identität, nicht zu wissen wohin man gehört …

Das ungewöhnliche an diesem Buch ist, dass Maryam Madjidi auch verschiedenen Dingen, wie Sprache oder Gegenständen ein Wort gibt. Es ist eine Mischung aus Phantasie und Realität, gepaart mit einer wundervollen poetischen Sprache, die diese Autobiografie zu etwas besonderem machen.

Wenn ich all die schönen Textstellen rausgeschnitten hätte, wäre vom Buch nichts mehr übrig geblieben. Vor allem die Gedichte, ganz besonders „Es war einmal“ auf den letzten beiden Seiten, sind einfach wundervoll.

Unbedingt lesen!!!

„Eine Girlande aus Wörtern in einem Baum bin ich, auf die ein Kind zeigt.“ (Seite 221)

Eine Familie

Atlantik Verlag, ISBN: 9783455404685, Preis: 20,00 Euro

Klappentext
Als der kleine Édouard sein erstes Gedicht schreibt, ist seine Familie gerührt und begeistert von dem talentierten Jungen. Von jetzt an steht fest: Édouard ist der Dichter der Familie. Doch für ihn beginnt in diesem Moment der unaufhaltsame Abstieg: Die Jahre vergehen, und vergebens versucht er diesen einen Moment reiner Liebe und Bewunderung wiederauferstehen zu lassen. Nichts will ihm gelingen: Er wählt die falsche Frau und muss machtlos zusehen, wie seine Familie zerbricht. Statt Schriftsteller wird er Werbetexter, trotz seiner Erfolge fühlt er sich als Versager. >Schreiben heilt<, hat sein Vater immer gesagt – wird Édouard schließlich die Worte finden, die ihn und seine Liebsten zu heilen vermögen?

∗∗∗∗∗

„Wann weiß man, dass man liebt? Am Abend oder am Morgen? Wenn es noch Zeit ist oder schon zu spät?
(…)
Geliebt werden, bevorzugt werden, derselbe Kampf. Dieselbe Feigheit. Wir weiden uns alle an dem Verlangen des anderen nach uns. Keine Liebe dabei. Bloß das Verlangen nach dem Verlangen des anderen.“ (Seite 60)

Als Kind schreibt Édouard einen einfachen Reim. Und schon ist die komplette Familie aus dem Häuschen und sieht in ihm einen potentiellen Dichter. Doch die Familie hat keine Ahnung welchen Druck sie damit auf Édouard ausüben. Immer auf der Such nach den richtigen Worten für einen Roman oder ein Gedicht findet er alles Mögliche, nur nicht den Erfolg den seine Familie sich für ihn erhofft. Er in seinen Augen ständig falsche Entscheidungen, obwohl er als Werbetexter sehr erfolgreich ist. Doch er glaubt den Ansprüchen seiner Familie nicht zu genügen.

Dies ist nicht, wie ich zuerst glaubte ein neuer Roman von Delacourt. Nein, dieser Roman erschien bereits 2011. Mit diesem Roman hat er debütiert  und in Frankreich dafür einige Preise bekommen.

„Der Dichter der Familie“ ist wieder ein Buch, das die Leserschaft spaltet. Viele finde es nicht gut, da es nicht an „Die vier Jahreszeiten des Sommers“ heranreicht. Ich sehe das ein bisschen anders, nämlich unter dem Aspekt des Debüts. Delacourt hat mit diesem Buch ein sehr schönes Debüt geschrieben. Eines, welches man tiefer betrachten muss und sollte.

Da ist der in meinen Augen sehr schüchterne Édouard. Er lebt in einer Familie, die Probleme hat. Die Eltern lieben sich nicht mehr und stehen kurz vor der  Trennung. Sein Bruder ist krank und landet später in der Psychiatrie. Und seine Schwester hängt irgendwie dazwischen. Dann schreibt Édouard ein paar Zeilen, die sich reimen und schon feiert ihn die Familie als großen Schriftsteller, nichtsahnend, dass sie ihn damit unter Druck setzen, ein erfolgreicher Schriftsteller zu werden. Édouard scheint an diesem Druck zu zerbrechen. Letztendlich zerbricht die ganze Familie.

Delacourt zeigt mit einer sehr weichen und melancholischen Art auf, was die Erwartungen der Eltern an ihre Kinder anrichten können. Was mit Kindern und späteren Erwachsenen geschieht, die ihr Leben lang nach Anerkennung und Liebe der Eltern/ Familie lechzen …

In meinen Augen ein wundervolles Buch, dass die Strukturen einer Familie aufzeigt.  Sicherlich ein anderes Buch als „Die vier Jahreszeiten des Sommers“, aber auf jeden Fall ein Delacourt, wenn auch früher,  und  lesenswert.

„Man muss gesehen haben, wie seine Eltern sich prügeln, um zu begreifen, dass ein Kind den Wunsch entwickeln kann zu sterben.“ (Seite 32/ 33)

 

 

4 von 5 Sternen