Phantastischer Wahnsinn!!!

S. Fischer Verlag, ISBN: 9783103972825, Preis: 22,00 Euro

 

Rückentext
Mit einem Eisblock im Kofferraum fährt Eva in ihr Heimatdorf. Jahrelang ist sie nicht dort gewesen. Und sie hat nie zurückgeblickt – bis eine Einladung ihrer beiden ältesten Freunde alles zurückholt: den Sommer, in dem zwei Freunde zu Evas dunkelsten Dämonen werden; den Sommer, den Eva seit dreizehn Jahren zu vergessen versucht.

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„Ich denke nach, doch mir fällt nur anderer Leute Kummer ein. Leid, dessen Zeugin ich war, das ich mir ansah, bis es auch mein Leid wurde. Durch Teilen nimmt die Intensität ab, wird es für beide erträglicher.“ (Seite 88)

Eine junge Frau, Eva, packt sich einen Eisblock in den Kofferraum ihres Autos und fährt los, um einer Einladung eines alten Freundes Folge zu leisten. Dieser Satz, das Cover und der Titel haben mich mega neugierig auf dieses Buch gemacht. Als ich es dann in Händen hielt war ich immer noch fasziniert vom Cover, hatte aber keine Ahnung was mich für eine Geschichte erwartet.

Nach den ersten gelesenen Seiten habe ich ein ungutes Gefühl. Mir ist kalt beim Lesen, und je weiter ich in dies Geschichte eintauche, desto größer wird mein mulmiges Gefühl. Ich ahne, dass diese Geschichte nicht gut ausgehen kann.

In Rückblicken erlebe ich Evas Sommer 2002. Ein Sommer mit ihren Freunden Laurens und Pim. Eigentlich kann man ihre Beziehung nicht als Freundschaft bezeichnen.  Pim muss immer im Mittelpunkt stehen, Laurens sieht zu ihm auf und Eva … Eva möchte eigentlich nur Teil von irgendetwas sein und ist froh, dass die beiden Jungs sie in ihrer Mitte aufnehmen, nichtsahnend, dass die Beiden einen Plan für den Sommer haben. Die Jungs haben  sich ein Spiel ausgedacht. Ein Spiel, das das Leben der drei verändert.

In einem zweiten Erzählstrang lerne ich Evas Familie kennen. Die Eltern beide Alkoholabhängig, ihre Schwester Tess  Verhaltensauffällig und Jordan der Bruder voller Gleichgültigkeit. Dazwischen Eva, die versucht ihren Weg zu finden.

Ein dritter Erzählstrang erzählt die Jetztzeit, die Reise von Eva in ihre Heimat, das Wiedersehen mit ihrer Familie und das was sie dort vorhat.

„Jedes Leben ist lediglich eine Summe aus Zahlen, doch nur wenige schaffen es, Buch zu führen, rechtzeitig mit Zählen anzufangen. Diejenigen, die es versuchen, werden krank oder verrückt, legen von vornherein fest, wie oft sie kauen müssen, damit das schon mal klar ist, und ziehen dann jede Bewegung, die sie machen, davon ab. Ihr Leben ist keine Summe, sondern eine Differenz, sie bringen sich selbst auf null.“ (Seite 247)

Beim Lesen dieser Geschichte komme ich mir wie ein Voyeur vor. Ich lese es und kann nicht aufhören, weil ich wissen will wie es weiter geht; und gleichzeitig möchte ich aufhören zu lesen, weil es so abstoßend, brutal und unendlich zerstörerisch ist … aber ich kann nicht … ich muss weiter lesen.

Und so wie der Eisblock im Buch schmilzt, so schmelzen die Seiten des Buches dahin. Am Anfang blickt man wenig durchs Eis, noch durch die Geschichte. Doch je dünner das Eis wird und die Seiten weniger werden, desto mehr erahnt man was passieren wird, und kurz vor dem Ende, man kann schon fast durchs Eis schauen, trifft es den Leser wie ein Faustschlag in den Magen … man ist einfach nur noch schockiert …

Mit diesem Buch hat Lize Spit kein einfaches Buch geschrieben. Es ist im eigentlichen Sinne kein schönes Buch. Und doch ist es ein großartigeres Buch, weil Lize Spit hier eine Geschichte erzählt die keinen Leser unberührt lässt. Nicht während des Lesens und schon gar nicht am Ende. Sprachlich einfach gehalten, schafft sie trotzdem eine Atmosphäre, die der Geschichte voll und ganz entspricht. Mit jeder Seite mehr die ich lese, wird mir kälter und kälter.

„Und es schmilzt“  ist für mich eines mit der besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe. Es ist  mit einer solchen Intensität  geschrieben, dass ich jetzt noch dieses mulmige und beklemmende Gefühl in den Bauch bekomme, wenn ich darüber schreibe.

„Es gibt keinen Weg zurück. Ich bin ohne Bremsen den Abhang hinuntergeschickt worden.“ (Seite 496)

 

5 von 5 Sternen