Echt krasses und geniales Debüt

Frankfurter Verlagsanstalt
Fester Einband
480 Seiten
Erscheinungsdatum:
05.03.2018
Preis: 24,00 Euro
ISBN: 9783627002480

Klappentext
Raffael, der Selbstbewusste mit dem entwaffnenden Lächeln, und Moritz, der Bumerang in Raffaels Hand: Seit ihrer ersten Begegnung als Kinder sind sie unzertrennlich, Raffael geht voran, Moritz folgt. Moritz und seine Mutter Marie sind Zugezogene in dem einsamen Bergdorf, über die Freundschaft der beiden sollte Marie sich eigentlich freuen. Doch sie erkennt das Zerstörerische, das hinter Raffaels stahlblauen Augen lauert, Als Moritz eines Tages aufgeregt von der Neuen in der Schule berichtet, passiert es: Johanna weitet das Band zwischen Moritz und Raffael zu einem fatalen Dreieck, dessen scharfe Kanten keinen unverwundet lassen. Sechzehn Jahre später hat die Vergangenheit die drei plötzlich wieder im Griff, und alles, was so lange ungesagt war, bricht sich Bahn – mit unberechenbarer Wucht.

∗∗∗∗∗

„Das grün ist dunkler geworden, viel dunkler, tief und massiv, fast schwarz. Einst war Raffael knospengrün, raupengrün, wie Zuckererbsen in ihrer frisch geöffneten Schote, an manchen Tagen limonenhell. Schwarze Flecken hat das Grün bekommen, wie Schimmel. Moritz steht da und schaut und kann doch, was er sieht, nicht verstehen. Etwas ist passiert. Er weiß, dass Raffael nicht schläft. Er erkennt es an den aufleuchtenden Spritzern, die durch das Grün schießen.“ (Seite 39)

Moritz ist gerade mit seiner Mutter Marie und seiner kleinen Schwester Sophia in das kleine Bergdorf gezogen. Auf dem Spielplatz begegnen sich die beiden Jungs das erste Mal und Raffael nimmt Moritz sofort unter seine Fittiche. Denn Raffael ist ein sehr offenes, charismatisches und zugleich bösartiges Kind. Moritz eher scheu, zurückhaltend und ergeben. Marie ist nicht wirklich glücklich über die Freundschaft der Kinder, ahnt sie doch, dass Raffael Moritz nicht gut tut. Und als Moritz dann immer wieder mit Blessuren nach Hause kommt, versucht sie ihren Sohn zu überzeugen ihr zu erzählen, wie es dazu kam. Doch Moritz schweigt.

Als die beiden Teenager sind, kommt Johanna dazu. Ihre Eltern sind bei einem Unglück ums Leben gekommen und sie lebt nun bei ihrer Großmutter. Sie sucht Anschluss und die beiden Jungs nehmen sich ihrer an. Doch aus dieser Dreiecksbeziehung entspringt nichts Gutes. Kurz nach der Matura kommt es zu einem Bruch.

Sechszehn Jahre sind vergangen, Moritz wird in Kürze Vater, da schellt es eines Abends an Moritz Haustür. Er öffnet und Raffael steht vor der Tür. Plötzlich ist die Vergangenheit wieder präsent und alles müssen sich ihr endlich stellen …

„Er sah zu, wie das Blut sich vermischte, seins und Rafs. Es brannte und tat weh. Raf schaute ihm in die Augen.
„Blutsbrüder“, sagte er, ohne zu lächeln.
„Was heißt das?“, fragt Motz.
„Dass wir jetzt mehr sind als Freunde. Wie verwandt“, sagte Raf und schaute ihn immer noch an. „Das du mir gehörst.““ (Seite 44)

Was für ein krasses und geniales Debüt!!! Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Zuerst ist mir diese echt tolle Sprache aufgefallen. Ich kann es gar nicht so genau fest machen. Es ist so eine schöne Erzählweise. So leise, manchmal fast poetisch … aber das was sie erzählt ist grausam, abstoßend und verletzend. Das bewirkte bei mir, dass ich in einen Sog geriet. Ich fing an zu lesen und konnte gar nicht mehr aufhören. Was mich fesselte war wie gesagt die Sprache einerseits und dann die Geschichte andererseits.

Die Geschichte wird in mehreren Zeitebenen und aus verschiedenen Sichtweisen erzählt. Es kommen Moritz, Raffael, Marie (Moritz Mutter) und Johanna zu Wort. Das trägt enorm zur Spannung bei, muss sich jedoch auch konzentrieren, um sich nicht zu verlieren.

Es ist wieder eines dieser Bücher, die mich auch emotional sehr gefordert haben. Ganz ehrlich … Raffael war/ ist ein echter Kotzbrocken. Ich mochte dieses Kind und später auch den Jugendlichen und Mann überhaupt nicht. Seine ganze besitzergreifende und manipulative Art hat mich abgestoßen. Ich konnte nicht verstehen, dass es solche Art von Menschen geben kann. Ja, ich weiß, es gibt sie … Ich habe mich oft gefragt, warum Raffael so ist, wie er ist. Sicherlich hat sein Umfeld/ Familie damit etwas zu tun. Doch entschuldigt ein kaputtes Elternhaus alles? Ich denke eher nicht.

Auch Johanna ist eine, dich ich nicht wirklich mochte. Sie hat die beiden Jungs gegeneinander ausgespielt und sich dabei letztendlich mehr geschadet als sie wollte. Irgendwie war ist sie eine sehr traurige Gestalt in diesem Buch.

Und Moritz hätte ich am liebsten stundenlang in den Hintern getreten um ihm klar zu machen, dass er sich von Raffael lösen muss. Irgendwie war er mir oft zu passiv, was wohl auch daran lag, dass er besonders harmoniebedürftig war, und Ärger eher aus dem Weg gegangen ist.

Ihr seht, für mich war es ein sehr emotionales Buch, welches mich noch lange im Anschluss beschäftigt hat. Wie weit darf man in einer Freundschaft gehen? Darf man das Vertrauen von Freunden auf eine zerstörerische Art und Weise missbrauchen? Wie viel Verrat erträgt eine Freundschaft? Und kann man das dann alles irgendwann verzeihen?

„Aber eins sag ich dir, Moritz: Irgendwann wirst du erkennen, dass manche Menschen nur leuchten, indem sie andere ins Dunkle schubsen.“ (Seite 302)

Chapeau Mareike Fallwickl für dieses Debüt. Eins meiner Lesehighlights in diesem Jahr. Ich freu mich schon auf weitere tolle Romane.

♥ Was für ein KRASSES „Scheißschönes“ Buch ♥

Blumenbar Fester Einband  256 Seiten  Erscheinungsdatum: 09.09.2013  Preis: 18,99 € ISBN: 9783351050061

Blumenbar
Fester Einband
256 Seiten
Erscheinungsdatum:
09.09.2013
Preis: 18,99 €
ISBN: 9783351050061

Klappentext
Eigentlich ist es ein ehernes Gesetz: Johann und Tilda, Tilda und Johann. Das Baumhaus in Tildas Garten hat Johanns Vater gezimmert, also wird es nicht mehr lange dauern, bis Johann dort mit ihr schlafen wird. Denkt er. Johann wartet nur noch auf eins: Schamhaare. Doch dann bricht alles aus den Fugen. Das Land versinkt im Terror der RAF, Tilda schreibt Liebesbriefe an Andreas Baader im Gefängnis und schleppt dann einen Jungen an, Sebastian. Der ist groß, schön, allein. Johann weiß: Paar ist eine Sache für zwei. Von einem Tag auf den anderen ist er in sein Zimmer verbannt, kämpft mit Fieber und seinen Phantasien davon, wie die beiden hinter Tildas heruntergelassenem Rollo alles tun.
Von den Fernsehnachrichten zur RAF angeregt, reift in ihm ein Plan: Mach kaputt, was dich kaputt macht. Denn drei sind einer zu viel.

∗∗∗∗∗

Es ist der Sommer 1977. Ein Sommer der geprägt ist von Gewalt und Terror in Deutschland. Die RAF ist allgegenwärtig. Ponto wird umgebracht. Schleyer entführt. Mit der Entführung der Landshut versucht man Mitglieder der RAF frei zu pressen. Später, im Herbst 1977 wird Schleyer ermordet aufgefunden und die drei inhaftierten Anführer der RAF Baader, Ensslin und Raspe bringen sich in ihren Zellen der JVA Stuttgart um.

Es ist ein Sommer, in dem Tilda, Johann und Sebastian aufwachsen. Kids zwischen 13 Jahren und 14 Jahren. Tilda und Johann kennen sich seit dem sie drei Jahre alt sind. Sie haben immer alles gemeinsam gemacht. Das heißt Johann hat immer alles gemacht was Tilda wollte. Sie als die Ältere war immer die Bestimmerin. In diesem Sommer wollen sie eine Bande gründen. Tilda schleppt Sebastian an. Und von nun an wird alles anders. Johann reagiert mit Eifersucht auf Sebastian und Tilda spielt die beiden Jungen gegeneinander aus. Sie will wissen, wer von beiden bereit ist alles, wirklich alles für sie zu tun.

Es wird ein Sommer, der ihr ganzes Leben verändert. Was wie ein scheinbar harmloses Spiel beginnt eskaliert zu einer Tragödie.

WOW … was für ein KRASSES Buch. Ein Buch, das ein wahres Karussell an Gefühlen  in mir auslöst. Dieses Buch ist verstörend, teilweise ekelhaft, voller Wut und Hass, aber auch Liebe. Es bringt mich zum Lachen, zum Weinen und erinnert mich an alte Zeiten. Sprachlich ergeht es mir genauso. Da ist einmal der kalte und beherrschende Ton von Tilda und dann ist die Sprache plötzlich poetisch, philosophisch und empfindsam wie Johann.

Jelle Behnert ist mit diesem Debütroman etwas ganz Großartiges gelungen. Sie schafft es die große Bandbreite von Gefühlen in eine Geschichte zu packen, die krasser nicht sein kann. Die einen werden dieses Buch lieben, die anderen werden es hassen.

Ich liebe es  ♥ und kann nur sagen: Ihr müsst es lesen!!! Aber Vorsicht … es zieht euch in einen Bann, den ihr so noch nicht gekannt habt!!!

 

5 von 5 Sternen

Willkommen im Wahnsinn

btb Fester Einband  480 Seiten Erscheinungsdatum: 06.10.2014  Preis: 22,99 € ISBN: 9783442753369

btb
Fester Einband
480 Seiten
Erscheinungsdatum:
06.10.2014
Preis: 22,99 €
ISBN: 9783442753369

Klappentext
Eli ist eine erfolgreiche Schriftstellerin und Drehbuchautorin, wohnt alleine in Stockholm. Doch ihr Leben teilt sie sich seit ihrer Kindheit mit drei Jungen: Espen, Erik und Emil. Sie sind Stimmen in ihrem Kopf, die sie begleiten, unterstützen, aber auch nach Aufmerksamkeit verlangen und manchmal sogar die Kontrolle über sie übernehmen.

∗∗∗∗∗

„Ich bin Eli. Auf Hebräisch bedeutet das >mein Gott<. (…) Ich bin neununddreißig. In den letzten achtzehn Jahren ging es ständig rein in die Psychiatrie und wieder raus. Fast genau so lange lebe ich schon als Schriftstellerin, Dramatikerin und Filmemacherin. Schriftsteller ist kein Beruf. Es ist ein Leben. Ich habe gestern geschrieben. Ich schreibe heute und ich werde es morgen tun. Mich in den Worten bewegen. Sätze und Situationen erspüren und genießen. Sie aus mir rausholen und wieder abgeben. Sie weitergeben und dennoch behalten. Ein Geschenk, mit dem man verwachsen kann. An dem ich festhalten kann, wenn ich krank bin. An dem ich festhalten kann, wenn ich gesund bin.“ (Seite 7)

Eli ist neununddreißig als die Geschichte einsetzt. Eli ist Schriftstellerin, Dramatikerin, Filmemacherin und … krank. Sie leidet unter Schizophrenie, hört Stimmen. Die erste Stimme hört sie im Alter von fünf Jahren. Es ist Espen. Ein Junge der für sie weint und den Schmerz auffängt, den man ihr zufügt. In späteren Jahren folgen Emil und Erik. Die drei Jungen machen ihr das Leben zur Hölle. Sie zwingen sie Dinge zu tun, denen sich Eli nur schwer entziehen kann. Sie resigniert immer mehr und antwortet den Stimmen immer mit einem: „Ja, ja, ja!“

Aber dass das Erlebte wahr ist, stimmt nicht. Die Erinnerungen bleiben nicht liegen, wo man sie zurückgelassen hat. Man hat sie über all die Umwege des Lebens mitgeschleppt. Wie einen Schlitten, den man zieht, vieles ist heruntergefallen, und vieles ist dazugekommen.“ (Seite 48)

Sie nimmt Drogen, trinkt ohne Ende, wird zwangseingewiesen und in der Klinik während den akuten Psychosen schreibt sie ihre Geschichten. Die sind so gut, dass sich die Radiosender darum reißen. Immer und immer wieder wird sie eingeliefert, fixiert und ruhig gestellt. Und immer und immer wieder schreibt sie in dieser Zeit. Ihre Bücher gewinnen Preise und sie wird gefeiert.

Ihre Eltern wissen nichts von der Krankheit. Das Verhältnis zu ihrer Mutter ist mehr als angespannt. Diese duldet keinen Schmerz, keine Trauer oder gar Gefühle. Der Vater scheint ein Träumer zu sein, der nicht in der Lage ist sein Leben in den Griff zu bekommen.

Ich schreibe nicht so, wie ich denke, dass ich schreiben sollte. Ich schreibe so, wie ich denke, während ich schreibe. Ich werde vom vorherigen Satz inspiriert.“ (Seite 188)

Die Autorin war mir bis dato völlig unbekannt. Ich habe dieses Buch in einer Vorschau gesehenen und war sofort von Cover und Titel angetan. Der Klappentext sprach mich ebenfalls an.
Beate Grimsrud wurde 1963 in Norwegen geboren. Sie ist Fußballerin, Boxerin, Übersetzerin und Autorin von Romanen, Kinderbüchern, Bühnenstücken und Drehbüchern. Für ihren autobiografisch geprägten Roman „Verrückt und frei“ erhielt sie den Norwegischen Kritikerpreis. Sie war unter anderem auch sowohl von schwedischer wie auch von norwegischer Seite für den Nordischen Literaturpreis nominiert.

Ihr Stil ist so wie ihr Wesen. Kurze und prägnante Sätze. Nichts ist geschönt. Manches trifft mich als Leserin wie ein Blitz und erschüttert mich. Anderes zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht. Und dann gibt es die Stellen, an denen die Tränen sich ihren Weg suchen.

„>Die Wirklichkeit der Welt wird von uns erschaffen. Wer Wirklichkeit werden will, muss ungebunden sein<, sagt Prinz Eugen. Emil und Espen verstehen nicht, was das heißt. Erik tut so, als würde er es verstehen. Ich weiß nicht, was ich anderes tun kann, als es aufzuschreiben. Das ist meine Freiheit.
Liebe ist die Leidenschaft für Wörter. Eine Liebe, die nicht bedroht, gebunden oder ungebunden ist. Ich bin niemals allein, man muss aus der Situation bloß das Beste machen. Die Jungenseelen auf der Zunge, sind eine Erweiterung der Sprache. Desgleichen die Worte auf dem Papier, Sätze, die Sinn stiften. Leere ist unfrei. Freiheit ist Schmerz und  Freude. Graben und leben. Der gespannte Bogen der Krankheit. Ich bin der Pfeil, kein Narr. Der einzige Unterschied zwischen mir und einem Verrückten ist, dass ich nicht verrückt bin.“ (Seite 382/ 383)

Ich muss gestehen, dass mir dieses Buch unter die Haut und voll ins Herz ging. Zuerst habe ich mich gefragt, was an diesem Buch wohl autobiografisch ist. Schnell wurde mir klar, so ziemlich alles. Im Vordergrund steht jedoch die Krankheit. Schizophrenie. Beim Lesen bin ich das ein oder andere Mal echt an meine Grenzen gekommen. Das waren dann meist die Passagen, in denen Eli mal wieder zwangseingewiesen wurde. Situationen in denen man sie überwältigen musste, fixieren und beruhigen. Das zu lesen ist einfach grausam.

Doch Eli lebt mit dieser Krankheit. Als Leserin habe ich oft den Eindruck, dass Eli und ihre Krankheit mit der Zeit Freunde geworden sind. Sie haben eine Basis gefunden und arrangieren sich. Eli macht die Krankheit zu ihrer Verbündeten und schafft es in den akuten Psychosen ihre Geschichten zu schreiben. Geschichten die so erfolgreich sind, dass sie mit Preisgeldern und Preisen bedacht werden.

„Zwei Kreise. Ein kranker und ein gesunder. Eine Acht. Eine Ewigkeit aus Zeit und Leben. Ich male sie immer wieder und lande in dem gesunden Kreis. Sie wiegen nicht gleich viel. Hoffnung und Dunkelheit. Ich finde wieder in das Zuhause in mir wie ein Vogel im Frühling.“ (Seite 462)

Elis Geschichte ist eine Geschichte, die uns einen tiefen Einblick in eine kranke Seele gibt. Für mich ist es nach wie vor unfassbar, wie oft Eli in der Psychiatrie sitzt und doch immer und immer wieder für ihre „Freiheit“ kämpft.

Ich wünsche diesem Buch viele Leser und ein Begreifen für diese Krankheit. Eli/ Beate wünsche ich, dass sie weiter macht und Bücher schreibt, die das Herz des Lesers berühren. Ich wünsche ihr, dass sie in ihrer Acht immer öfter im gesunden Kreis verweilen kann.

Danke liebe Beate, für diese bewegenden Einblicke in Dein Innerstes ♥♥♥
Takk kjære Beate, for dette bevegelige innsikt i ditt innerste ♥♥♥

5 von 5 Sternen

Ich danke dem btb Verlag für das Leseexemplar.