„Die Geschichte eines Lügners“ von John Boyne

Piper Verlag, Fester Einband, 432 Seiten, Preis: 24,00 Euro, ISBN: 9783492059633, Hier kaufen

Klappentext

Maurice Swift ist Schriftsteller. Er hat Stil, kann brillant erzählen, doch ihm fehlen die Geschichten. In Westberlin trifft er auf sein Idol Erich Ackermann, der gerade mit einem großen Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Ackermann verfällt dem charmanten jungen Mann, der sich für alles, was er sagt, interessiert. Er nimmt ihn mit auf Lesereise durch Europa und verrät ihm sein Geheimnis. Es ist diese Geschichte, für die Maurice bald darauf als Autor gefeiert  wird. Und die Ackermanns Karriere beendet. Maurice dagegen ist schon auf der Suche nach dem nächsten Stoff …

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Maurice Swift hat zwei große Wünsche … er möchte ein erfolgreicher Schriftsteller werden und Vater sein. Doch zu Beginn des Buches hängt er als Kellner in einer Bar fest. Dort trifft er  auf den alternden, aber erfolgreichen Buchautor Erich Ackermann. Ackermann ist fasziniert von dem charismatischen Swift und lädt diesen ein, ihn auf seine Lesereise durch Europa zu begleiten. Während dieser Reise erzählt Ackermann aus seinem Leben, und Swift macht sich hin und wieder Notizen in sein Büchlein. Irgendwann steckt Swift Ackermann, dass er an einem Bucharbeitet. Ackermann möchte natürlich wissen worum es geht, doch Swift sagt nichts. Doch dann erscheint das Buch und Swift wird gefeiert dafür, und Ackermanns Karriere ist scheint beendet, denn Swift erzählt in seinem Buch von Ackermanns Geheimnis.

Swift genießt seinen Ruhm und ist sich keiner Schuld bewusst. Doch schnell wird klar, die Leser erwarten ein neues Buch von ihm. Swift fällt aber nichts ein, und so sucht er nach Stoff für ein weiteres Buch. Und plötzlich ergibt sich die Möglichkeit für ein neues Buch, und diesmal  geht Swift eindeutig zu weit …

„Jeder hat seine Geheimnisse. Jeder hat eine Leiche im Keller. Schau dich demnächst einmal im Foyer um und frag dich: Was würden diese Leute auf jeden Fall vor mir verheimlichen wollen? Genau da findest du deine Geschichte.“ (Seite 31)

 Die Geschichte um Swift ist in drei große Kapitel unterteilt, und zwei kleineren. In den großen geht es jeweils darum wie Swift an seinen Stoff für seine Romane kommt. Die kleinen Kapitel überbrücken die Zeitsprünge, die entstehen um Swifts weiteren weg zu erzählen.

Mein erstes Buch, welches ich von Boyne gelesen habe war „Cyril Avery„. Dieses Buch habe ich geliebt und liebe  es noch. Die Geschichte um Cyril war einfach unglaublich. Gerade erst gestern habe ich mich mit einer Kundin darüber ausgetauscht. Ihr hatte ich das Buch vor Weihnachten empfohlen. Auch sie war einfach begeistert.

Zurück zu Herrn Swift. Die Geschichte um Swift ist eine ganz andere, doch Boyne versteht es seine Leser*innen/ mich in den Bann zu ziehen. Nach dem ersten Kapitel, als Swift seinen ersten Roman veröffentlicht hatte war ich sprachlos. Was für ein mieser Charakter dieser Swift doch war/ ist. Ich konnte mir zu diesem Zeitpunkt schwer vorstellen, dass es noch schlimmer gehen könnte. Doch es kam noch schlimmer. Swift ist ein höchst manipulativer Mensch. Er weiß um seine Ausstrahlung und setzt diese bewusst ein, um an sein Ziel zu kommen. Und glaubt mir, er bekommt fast immer, was er will. Er lügt und stiehlt.

Ich habe dieses Buch/ diese Geschichte verschlungen, war oft fassungslos über das was sich abspielte. Man kann sagen, dass die Spannung und Wendung in diesem Buch einem Krimi gleich kommt.

 „Alle Liebe und Achtung, die ich für dich empfunden hatte, hatte sich in den letzten Stunden in Luft aufgelöst, und mir blieb nur noch, mich von dir zu trennen und zu gehen. Du sahst mir sofort an, dass etwas nicht stimmte. (…) Kurz warst du wie versteinert und fragtest dich offenbar, welche deiner Lügen aufgeflogen war.“ (Seite 249)

 Mir hat das Buch sehr gefallen, anders als „Cyril Avery“ welches mein Lieblingsbuch bleibt, doch spannend bis zum Anschlag. Neben der Geschichte um Swift bekommt man einen Eindruck des Literaturbetriebs … Neid, Missgunst, Gerangel um Agenten und Literaturpreise. Doch  mehrere Fragen bleiben am Ende für mich offen… wann sind Ideen für ein Buch geklaut … wann spricht man genau von einem Plagiat … darf man Geschichten, die man jemanden erzählt ,für seine Zwecke nutzen … wann ist eine Idee Diebstahl geistigen Eigentums … 

Einfach grandios!!!

Piper
Fester Einband
736 Seiten
Erscheinungsdatum:
02.05.2018
Preis: 26,00 Euro
ISBN: 9783492058537

Klappentext
Wer bin ich? Diese Frage ist es, auf die Cyril seit jeher eine Antwort sucht. Denn er ist kein „echter“ Avery, wie seine verschrobenen Adoptiveltern Maude und Charles immer wieder betonen. Und auch sonst fällt es ihm schwer, seinen Platz in der konservativen Gesellschaft Irlands der 1940er Jahre zu finden. Doch dann lernt er Julian Woodbead kennen. Die innige Freundschaft, die zwischen ihm und dem glamourösen Lebemann entsteht, wird Ausgangspunkt einer abenteuerlichen Reise, die ihn schließlich zu den Dingen führt, nach denen er sich immer gesehnt hat.

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„So verließ sie Goleen, den Ort ihrer Geburt, den sie mehr als sechzig Jahre nicht wiedersehen sollte, bis sie mit mir über ebenjenen Friedhof ging und unter den Grabsteinen nach den Resten der Familie sucht, die sie verstoßen hatte.“ (Seite 20)

Die Geschichte beginnt 1945 in dem kleinen Ort Goleen in Irland. Die 16jährige Catherine wird vor versammelter Kirchengemeinde an den Pranger gestellt, weil sie schwanger ist und den Namen des Kindsvater nicht nennen will. Schließlich wird sie vom Pfarrer aus der Gemeinde und dem Ort verbannt. Die junge Frau flieht nach Dublin, wo sie bei zwei Männern unterkommt, die befreundet sind. Schnell findet sie eine Anstellung. Nach der Geburt Cyrils gibt sie diesen zur Adoption frei, da sie weiß, dass ein Leben als allein erziehende Mutter im Irland der 1945er nicht möglich ist.

Cyril wächst bei Maude und Charles Avery auf. Einem sehr exzentrischen Ehepaar. Jeder geht seine eigenen Wege und Charles betont Cyril gegenüber immer und immer wieder, dass er kein „echter“ Avery sei. Auch Freunden und Fremden gegenüber betonen die Averys immer wieder, das Cyril nicht ihr leibliches Kind sei, sondern adoptiert. Cyril kommt scheinbar ganz gut mit der Lieblosigkeit seiner Zieheltern klar.

Im Alter von sieben Jahren trifft er das erste Mal auf Julian Woodbeat, dem Sohn von Charles Averys Anwalt. Und von dieser Zeit an ahnt Cyril, dass er anders ist als andere Jungs.

„“Zunächst einmal“, sagt Dr. Dourish, „dürfen Sie nicht denken, dass Sie mit dieser Heimsuchung allein sind. Es gibt viele junge Männer, die über die Jahre von ähnlichen Gefühlen geplagt wurden, von den alten Griechen bis in unsere Tage. Seit allem Anbeginn gibt es Perverse, Degenerierte und Gestörte, also sollten Sie niemals glauben, Sie wären etwas Besonderes. Es gibt sogar Orte, wo man damit durchkommt und sich niemand daran stört. Das Wichtigste für Sie jedoch, Tristan, ist es, niemals zu vergessen, dass Sie diesen ekelhaften Trieben nicht nachgeben dürfen. Sie sind ein guter, anständiger, irischer, katholischer junger Mann und … Sie sind doch katholisch?“
(…)
„Es stimmt schon“, fuhr er fort, „in der ganzen Welt gibt es Homosexuelle. (…) Aber in Irland, Tristan, in Irland gibt es keine Homosexuellen, dass dürfen Sie nie vergessen.““ (Seite 269)

Im weiteren Verlauf des Buches, in Zyklen von jeweils sieben Jahren, erfahre ich, wie Cyrils Leben verläuft. Es ist ein schwieriges Leben … als Homosexueller in einer Zeit aufzuwachsen, in der diese unter Strafe steht auf der einen Seiten und auf der anderen Seite in einem erzkatholischen Land wie Irland aufzuwachsen. Cyril versucht seine Neigung zu vertuschen, in dem er eine Beziehung zu einer Frau beginnt, die letztendlich in einem Desaster endet. Cyril flieht nach Holland, wo er endlich eine Liebe findet, doch auch diese endet desaströs. Kann Cyril jemals glücklich werden …

„“Seht ihr“, sagte ich. „Das Land ändert sich nie. In Irland wird lieber alles vertuscht, als dass man den Wahrheiten des Lebens ins Auge sieht.““ (Seite 470)

Dies war mein erster Boyne. Und dieses Buch ist eines dieser Bücher in die man eintaucht und nie wieder auftauchen möchte. Boyne skizziert seinen Protagonisten und die Lebenssituation so real, dass man das Gefühl hat sie schon ewig zu kennen bzw. mit ihnen durch diese Zeit zu gehen. Über 700 Seiten ist mir Cyril sehr ans Herz gewachsen und irgendwie wollte ich ihn nach der letzten Seite nicht gehen lassen …

Cyrils Geschichte ist eine Geschichte, die mich oft wütend gemacht hat. Wütend auf Menschen und Land, die eine so unglaublich Doppelmoral haben, die so bigott und homophob sind, dass ich das Buch am liebsten gegen die Wand geschmissen hätte. Doch wem hätte es genutzt? Hier wird nur Cyrils Geschichte erzählt, doch sie steht stellvertretend für alle homosexuellen Menschen, die in einigen Teilen der Welt bis heute noch strafrechtlich verfolgt werden. Allein dies Vorstellung macht mich gerade wieder sehr wütend.

Am allerschlimmsten fand ich die Abschnitte, in denen immer wieder betont wurde, dass es keine Homosexuelle in Irland gebe, und dass man diese „Perverslinge“ ausrotten müsste. Und die, die das sagten waren dann oft die, die verheiratet waren und nachts loszogen um ihre homosexuellen Neigungen auslebten. Echt zum kotzen diese Doppelmoral!!!

Natürlich gibt es im Buch und somit auch in Cyrils Leben andere Menschen. Menschen die Cyril lieben und akzeptieren so wie er ist. Die ihn durch diese Zeit und den Kampf nach Akzeptanz begleiten. Und am Ende des Buch kann ich dann folgende Worte von Cyril lesen:

„Und zum Schluss, als alle applaudierten, da begriff ich, dass ich endlich glücklich war.“ (Seite 733)

Cyrils Geschichte hat mein Herz bewegt … ich habe mit ihm gelitten und geliebt.

Unbedingt lesen ♥♥♥