DuMont Buchverlag
Fester Einband
176 Seiten
Erscheinungsdatum:
12.10.2018
ISBN: 9783832183592
Preis: 20,00 Euro
Klappentext
Der 12-jährige Théo ist ein stiller, aber guter Schüler. Dennoch glaubt seine Lehrerin Hélène besorgniserregende Veränderungen an ihm festzustellen. Doch keiner will das hören. Théos Eltern sind geschieden und mit sich selbst beschäftigt. Der Junge funktioniert und kümmert sich um die unglückliche Mutter und den vereinsamten Vater. Um ihren Sohn müssen sie sich keine Sorgen machen. Doch Théo trinkt heimlich, und nur sein Freund Mathis weiß davon. Der Alkohol wärmt und schützt ihn vor der Welt. Eines Tages wird ihn der Alkohol ganz aufsaugen, das weiß Théo. Doch wer sollte ihm helfen? Hélène, seine Lehrerin, würde es tun, wie aber soll das gehen, ohne das er die Eltern verrät? Mathis beobachtet das alles voller Angst. Zu gerne würde er sich seiner Mutter anvertrauen, allerdings ist Théo sein einziger Freund. Und einen Freund verrät man nicht. Außerdem würde er damit auch demjenigen in den Rücken fallen, der den Minderjährigen den Alkohol besorgt. Und der ist es, der das gefährliche Spiel in dem schneebedeckten Park vorschlägt, bei dem Théo bewusst den eigenen Tod in Kauf nimmt.
∗∗∗∗∗
„Loyalitäten
Das sind die unsichtbaren Verbindungen, die uns mit den anderen – den Toten wie den Lebenden – verbindet, leise gemachte Versprechungen, deren Auswirkungen wir nicht erkennen, still gehaltene Treue, das sind Verträge, die wir zuallermeist mit uns selbst geschlossen haben, Befehle, die wir hingenommen, aber nie gehört haben, und in den Nischen unserer Erinnerungen nistende Schulden.
Das sind die Gesetze der Kindheit, die in unseren Körpern schlummern, die Werte, in deren Namen wir uns aufrecht halten, die Fundamente, die es uns ermöglichen, Widerstand zu leisten, unlesbare Grundsätze, die an uns nagen und uns einschließen.
Unsere Flügel und unsere Fesseln.
Das sind die Sprungbretter, auf denen sich unsere Kräfte entfalten, und die Gruben, in denen wir unsere Träume begraben.“ (Seite 5)
Théo ist zwölf Jahre alt. Seine Eltern haben sich schon vor Jahren getrennt. Das Gericht hat entschieden, dass der Junge eine Woche bei seiner Mutter leben muss und in der nächsten Woche bei seinem Vater. Als er noch kleiner war, hat das jeweilige Elternteil ihn abgeholt und wieder zurück gebracht. Doch die Zeiten haben sich geändert und Théo muss diese Wege alleine gehen. Die Mutter ist verbittert und voller Hass auf den Vater. Théo bekommt dies zu spüren. Der Vater ist arbeitslos, höchst depressiv und lässt die Wohnung verkommen. Auch das muss Théo mit ansehen, ohne dass er sich irgendeinem anvertrauen kann, da er ja seinen Eltern gegenüber loyal ist. Und so ertränkt er seinen Kummer im Alkohol.
Er hat einen Freund, Mathis, der trinkt ab und an mit ihm mit. Doch Mathis ist nicht begeistert davon, als er merkt, dass Théo immer mehr abrutscht. Und da ist noch Hélène, eine Lehrerin, die etwas ahnt, jedoch nichts genaues weiß. Sie macht sich Sorgen um Théo und versucht zu helfen. Doch das ist gar nicht so einfach …
„Er hat vergessen, seit wann sein Vater nicht mehr arbeitet. Seit zwei Jahren. Oder drei. Er weiß nur, dass er eines Abends versprochen hat, nichts darüber zu sagen. Denn wenn seine Mutter erfährt, dass sein Vater nicht mehr arbeitet, wird sie einen Prozess anstrengen, um das alleinige Sorgerecht zu erhalten. Das jedenfalls hat sein Vater gesagt.
Er hat versprochen zu schweigen, deshalb hat er auch weder seiner Großmutter noch der Schwester seines Vaters, die ihn manchmal anruft, etwas gesagt.“ (Seite 63)
Dieses Buch ist kein schönes Buch. Es trifft mich beim Lesen mitten ins Herz. Ich möchte es beiseitelegen, weil ich es nicht aushalten kann, was Théo durchmacht. Doch lese ich weiter in der Hoffnung, dass irgendwer merkt was mit Théo los ist. Und letztendlich lässt es mich am Ende wütend zurück.
Was mich so erschüttert hat, ist nicht so sehr, dass Théo seinen Kummer in Alkohol ertränken will. Es ist die Tatsache, dass die Eltern überhaupt nicht merken was sie ihrem Sohn antun. Indem sie ihm das Versprechen abnehme zu schweigen, es ja niemanden zu erzählen, laden sie diesem kleinen Kerl eine Bürde auf, die unverzeihlich ist.
Ich frage mich, wie oft wir zu Kindern sagen … sag es ja niemanden weiter oder das musst du für dich behalten. Was wir in diesem Augenblick nicht bedenken ist die Tatsache, dass Kinder, im Gegensatz zu vielen Erwachsenen, wirklich noch loyal sind. Sie sind so „naiv“ und gutgläubig, vertrauen auf das Gute der Eltern/ Menschen, dass sie wirklich diese anvertrauten Geheimnisse für sich behalten. Doch welchen Preis müssen sie unter Umständen dafür bezahlen? Im besten Fall nichts, aber andere, wie Théo können/ werden daran zerbrechen.
„Er möchte das Stadium erreichen, in dem das Gehirn in den Ruhezustand geht. Den Zustand der Bewusstlosigkeit. Damit endlich Schluss ist mit diesem schrillen Geräusch, das nur er hört, das nachts auftaucht und manchmal auch mitten am Tag.
Dafür braucht man vier Gramm Alkohol im Blut. In seinem Alter wahrscheinlich ein bisschen weniger. Nach dem, was er im Internet gelesen hat, hängt es auch von dem ab, was man isst, und von der Geschwindigkeit, mit der man trinkt.
Das nennt sich >Koma durch Ethanolvergiftung<.
Er mag diese Wörter, ihren Klang und ihr Versprechen: ein Augenblick des Verschwindens, des Wegtauchens, in dem man niemandem mehr etwas schuldig ist.“ (Seite 115)
Wie bereits geschrieben, ist dieses Buch nicht schön, aber es ist wichtig. Es zeigt welche „Macht“ Eltern haben und wie loyal Kinder ihren Eltern gegenüber sind. Es zeigt wie wichtig es ist sich um sein Kind zu kümmern und es nicht reicht nur physisch anwesend zu sein.
Unbedingt lesen!!!
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